| Strategie-SpieleDie Wahl des Bundespräsidenten steht bevor. Jede Partei versucht aus diesem Vorgang den grössten Nutzen für die eigene Klientel zu ziehen. Der Bundespräsident wird zum Spielball der Parteiinteressen. Die Bundeskanzlerin fragt sich, welche Figur ihre Macht am besten konsolidiert. Es hat sich eingebürgert, dass der Bundeskanzler(in) einen Kandidaten für die Wahl aus eigener Machtvollkommenheit präsentiert. Im engsten Kreis wird nach absolut subjektiven und eigennützigen Gesichtspunkten ausgekungelt, wer als Bundespräsident der Kanzlerin am nützlichsten sein kann. Tagelang wird Frau von der Leyen in den Medien als Kandidatin gehandelt. Sie wird es nicht. Christian Wulff wird schliesslich gekürt. Der erste, entscheidende Fehler von Frau Merkel. 
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| Betreff: | AW: Brechreiz ...! | ||
| Von: | DIE LINKE - Katharina Tetzlaff <kajo.tetzlaff@die-linke.de> | ||
| An: | "Jürgen Dr. Albrecht" <hello.al@web.de> | ||
| Datum: | 01.07.10 15:12:37 | 
Sehr  geehrter Herr Dr. Albrecht,
        
        vielen Dank für Ihre kritische Mitteilung.
Weder Christian Wulff noch Joachim Gauck vertreten eine Politik, die DIE LINKE  verantworten kann. Beide Kandidaten eint ein konservatives Weltbild.
Christian Wulff wurde von der schwarz-gelben Bundesregierung vor allem als  politischer Kandidat vorgeschlagen, dessen Aufgabe auch darin bestehen soll,  dafür zu sorgen, dass der angekündigten Sozialabbau-Politik aus dem  Bundespräsidialamt keine Hindernisse in den Weg gelegt werden. 
Joachim Gauck, von SPD und Grünen vorgeschlagen, findet mit seiner  liberal-konservativen Einstellung auch viele Anhängerinnen und Anhänger im  schwarz-gelben Lager. Viele Kommentatoren in den Medien meinen, er wäre der  bessere Kandidat für Angela Merkel.
Entscheidend dafür, dass DIE LINKE den Kandidaten Joachim Gauck nicht als  gemeinsamen Kandidaten der Oppositionsparteien unterstützen konnte, sind  folgende Gründe. 
Er befürwortet den Kriegseinsatz der Bundeswehr in Afghanistan. Wir wollen  einen Bundespräsidenten, der für Frieden eintritt.
Er befürwortet Hartz IV. Wir fordern die Abschaffung von Hartz IV.
Der Zusammenhang von sozialen und liberalen Freiheitsrechten, von Freiheit und  Gleichheit, ist kein Thema von Joachim Gauck. Bei der Idee der Freiheit blendet  Joachim Gauck die soziale Dimension aus. Das Eintreten für den Sozialstaat und  die sozialen Grundrechte ist etwas, was DIE LINKE von jedem zukünftigen  Bundespräsidenten erwartet.
Wir waren gesprächsbereit bei der Suche einer gemeinsamen Kandidatin/eines  Kandidaten, die/der bei den wichtigsten Fragen der aktuellen Politik für  Frieden und für eine soziale Politik und für eine Erneuerung der  Industriegesellschaft eintritt. SPD und Grüne haben diese Gesprächsbereitschaft  leider nicht genutzt.
Mit freundlichen Grüßen
Kajo Tetzlaff
Bundesgeschäftsstelle der Partei DIE LINKE
      
| Betreff: | Grosse Chance dilettantisch verspielt | ||
| Von: | <hello.al@web.de> | ||
| An: | <kajo.tetzlaff@die-linke.de> | ||
| Datum: | 01.07.10 18:15:06 | 
Hello Frau Tetzlaff,
        ich fühle mich geehrt, dass Sie auf meine E-Mail antworten! 
        Allerdings  weiss ich die Ehre zu relativieren, denn Tausende ähnlicher E-Mails werden Sie  erhalten haben. Zu recht! 
        Denn was Die Linke gestern vollbracht hat, war eine  grandiose Fehlleistung. 
        In Ihrer Mail schreiben Sie, Zitat: 
        „Weder Christian Wulff  noch Joachim Gauck vertreten eine Politik, 
        die DIE LINKE verantworten kann.  Beide Kandidaten eint ein konservatives Weltbild.“ 
        Das ist genau der Punkt – Niemand weiss, 
        was Die Linke für eine Politik und ein Weltbild vertritt! 
        Sie weiss es nicht einmal selber! 
        Ich halte es für ein riesiges, spezifisch deutsches Problem,
        dass sich die Linken seit 1914 nicht einig sind. 
        Dazu kommt die aktuelle Unprofessionalität dieser Partei:
Schade – denn das stabilisiert mindestens für die nächsten zehn Jahre 
      hervorragend die Schwarzen und die Gelben!
Ich wünschte mir, Gysi und besonders La Fontaine würden  solche Mails lesen! 
        Aber auch das würde wohl nichts an den Fakten ändern. 
Siehe auch: http://www.storyal.de/story2008/links.html
Beste Grüsse von Al
Gauck gegen Gäähn
"Was hat die Kanzlerin bewogen, diesen eloquenten, wortmächtigen und wortgewaltigen Mann nicht auf den schwarz-gelben Schild zu heben und für das höchste Amt im Land zu nominieren? Wir wissen es nicht. Tatsache ist, dass sich die Kanzlerin verspekuliert hat. Bei schwierigen Problemen, und die hat unser Land derzeit geradezu in gigantischer Fülle, reicht ausgefuchstes Taktieren eben nicht. Angela Merkel hat sich selbst eingemauert im kleinkarierten Parteienproporz", kritisiert die FRANKFURTER RUNDSCHAU.
 "Offensichtlich herrscht in Deutschland eine große Sehnsucht nach Aufbruch, nach dem berühmten 'Ruck'. Selten hatte eine Koalition so wenig das Wohl des Volkes und so sehr die eigene Parteitaktik im Blick. Den Tiefpunkt markierte jetzt die Nominierung des farblosen niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff für die Bundespräsidentenwahl. Nicht nur viele Bürger, auch so manche in Union und FDP träumen daher von einem Gauck-Signal. Vielleicht passiert bei der Präsidentenwahl eine große Überraschung. Es wäre nicht das Schlechteste für Deutschland,"
        findet DER STANDARD aus Wien. 
 In der MÄRKISCHEN ODERZEITUNG aus Frankfurt/Oder ist zu lesen: "Was haben eine Haushaltsklausur und eine Bundespräsidentenwahl miteinander zu tun? Nun, im vorliegenden Fall wohl sehr viel. Gelingt es Union und FDP, ein halbwegs belastbares Finanzkonzept zu präsentieren, dann dürfte die Kraft vermutlich ausreichen, am 30. Juni Christian Wulff zum Nachfolger Horst Köhlers zu wählen. Präsentiert die Kanzlerin lediglich einen Formelkompromiss, dann steht nicht nur die Zukunft von Schwarz-Gelb auf des Messers Schneide. Die Lust am Zündeln im eigenen Lager dürfte dann noch einmal zunehmen - mit dem voraussichtlichen Höhepunkt einer aus Sicht der Koalition geplatzten Bundespräsidentenwahl. Das wäre das politische Ende Angela Merkels." 
        Mehr bei www.dradio.de/presseschau/ 
Merkels Regierung ist am Ende
Ein erstaunlicher Kommentar der staatstragenden FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG (FAZ) zum Zustand der Schwarz-Gelben Koalition: "Wenn das Kanzleramt brennbar wäre, müsste man sagen: Es brennt an allen Ecken. Die Kanzlerin kommt mit dem Löschen nicht nach. Sie kann sich nur noch auf die wichtigsten Brandherde konzentrieren. Das waren in der letzten Woche zwei: die Vorbereitungen einiger in der Union, Christian Wulff zur Aufgabe seiner Kandidatur für das Bundespräsidentenamt zu bewegen. Merkel sollte dabei auch öffentlich unter Druck gesetzt werden. Dieses Feuer konnte sie noch austreten. Nun streut der Bundesverteidigungsminister, weithin beliebtester Mann im Kabinett, ehrgeizig, eigensinnig, egophil und materiell unabhängig, er halte es in Berlin unter den obwaltenden Umständen nicht mehr aus. Wer zuhörte, musste den Eindruck gewinnen, dass Guttenberg kurz vor dem Rücktritt steht, schon nach neuen Aufgaben Ausschau hält. Es brennt wie seit 1982 nicht mehr, als die 'sozialliberale' Regierung zerbrach. Anders als damals steht diesmal eine Bundespräsidentenwahl unmittelbar bevor. Und, ganz nebenbei, nach dem griechischen das Schulden-Debakel Spaniens und Portugals." Mehr bei www.dradio.de/presseschau ...

Kommentar im Weblog.al: Ich kann mich nicht erinnern, jemals eine so zerstrittene, dilettantisch agierende Regierung erlebt zu haben, wie die jetzige unter Merkel. Und es ist die Kanzlerin, die dieses Desaster durch ihr zögerliches Lavieren zu verantworten hat. Hier nur wenige Stichworte: Streit um Steuersenkung, gleichzeitig um Steuererhöhung, Sparen ohne strategisches Konzept, Zu- und Absagen der Unterstützung für Opel, die Diskussion um die Abschaffung der Wehrpflicht, endloser Krampf mit der Gesundheitsreform/Kopfpauschale und nicht zuletzt: Der Umgang mit der exorbitanten Staatsverschuldung - sie wird einfach ignoriert! Die letzten Monate beweisen: Es reicht nicht, wenn die Chefin nur moderiert. In diesen Zeiten braucht Deutschland eine eiserne Lady, die die Richtung vorgibt und mit der Faust auf den Tisch schlägt: Basta! Genau das Gegenteil macht Merkel: Sie will niemanden durch eine klare Entscheidung verprellen, sie geht jeden faulen Kompromiss ein, der (scheinbar) ihrer Macht nützt. Das exemplarische Beispiel dafür ist die Nominierung von Christian Wulff. Die überparteiliche Nominierung von Joachim Gauck hätte das längst überfällige Signal für das vernünftige und dem Gemeinwohl verpflichtete Handeln dieser Regierung sein können. Kleinkariert entschied sich die Kanzlerin für den Langweiler Wulff. Das kann der Anfang vom Ende dieser Regierung gewesen sein. Schon jetzt gibt es Strassendemonstrationen gegen das unausgewogene Sparpaket. Was ist von dieser Regierung und auf der Strasse erst zu erwarten, wenn die nächste, unvermeidliche Finanz- und Schuldenkrise da ist?!
Schlechte Umfragewerte
Kommentar im Weblog.al
Was hat diese Wahl mit Demokratie zu tun? Genau so viel wie alle Wahlen in der parlamentarischen Demokratie: Es sind Showveranstaltungen die dem machtlosen Volk vorgaukeln sollen, es hätte Einfluss auf die Politik. Eine ganz spezielle Augenwischerei ist die "Wahl" des Bundespräsidenten: Wer Kandidat wird, entscheiden die Parteispitzen in eigener Machtvollkommenheit und ohne Demokratie. Genau so werden - wieder von den Parteien - die Wahlmänner und -frauen von den Landtagen "nominiert". Das Gesetz über die Wahl des Bundespräsidenten sagt im § 7: "Die Mitglieder (der Bundesversammlung) sind an Aufträge und Weisungen nicht gebunden." Tatsächlich aber herrscht Fraktionszwang. Das Ergebnis ist ein Bundespräsident, den auch gleich das Kabinett nominieren könnte. Dieses Verfahren hat sich in der DDR bewährt. Und niemand hat sich mehr darüber gewundert, denn die DDR hat sich auch selbst bis zuletzt als "Diktatur des Proletariats" bezeichnet. So stark ähneln sich die staatstragenden Praktiken?! Die Spielchen funktionieren deutlich anders, das Ergebnis aber ist das gleiche: Der Souverän wird nicht gefragt.
Bemerkenswert wird diese "Wahl" am Mittwoch nur dadurch, dass sie diesmal zur Abrechnung mit der impotenten Schwarz-Gelben Regierung umfunktioniert werden könnte. Die Regierung kann sich nicht mehr auf die eigenen Leute verlassen. Der einzige interessante Aspekt an diesem unwürdigen Schauspiel.
Letzte, aber sehr bezeichnende Meldung
SPD, Grüne und Linkspartei finden nach dem offenen Streit bei der Bundespräsidentenwahl vorerst nicht zueinander. Die SPD lehnte am Wochenende das Angebot der Linken zur Zusammenarbeit ab. Die Offerte sei "ein Offenbarungseid" und Ausdruck der Hilflosigkeit, sagte SPD-Chef Sigmar Gabriel. Die Grünen reagierten ebenfalls zurückhaltend.
Nach den gescheiterten Gesprächen über eine Unterstützung der Linkspartei für den rot-grünen Präsidentschafts-Kandidaten, den früheren DDR-Bürgerrechtler Joachim Gauck, hatte die Linke am Wochenende versöhnliche Signale Richtung Rot-Grün ausgesandt. Linken-Vorsitzender Klaus Ernst lud SPD und Grüne zu Gesprächen über eine Zusammenarbeit bei bestimmten Themen ein, einer Art Oppositionsgipfel. SPD-Chef Gabriel entgegnete, dass die Linke zunächst klären müsse, wofür sie stehe, "für die Vergangenheit als SED-Nachfolgepartei oder für die Zukunft als demokratische Reformpartei?" Auf Bundesebene ist nach Umfragen eine Regierungsmehrheit links von Union und FDP nur bei einer Kooperation von SPD, Grünen und Linkspartei möglich.
Mehr bei http://nachrichten.rp-online.de ...
Jürgen
    Albrecht, 05. Juli 2010
update:
20.09.2010